Allerlei los unterm Boot

Dass wir keine Person aus Kuba herausschmuggeln konnten, war ja nun von offizieller Seite sichergestellt worden. Dafür aber, so stellten wir beim ersten Tauchgang nach Ankunft auf den Ragged Islands fest, hatte sich ein ausreisewilliger Remorafisch an unser Unterwasserschiff geheftet, um mitzureisen. Mittels einer Saugplatte, die sich aus einer Rückenflosse gebildet hat, saugen sich die Remoras an größere Fische, z.B. Haie oder Meeressäuger an, um mitgenommen zu werden und ihren Schutz zu genießen. Und manchmal eben auch an Schiffsrümpfe, wovon schon Aristoteles berichtet haben soll (sagt Wikpedia) und weshalb sie auch Schiffshalterfisch genannt werden.

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Von Kuba aus ist es eine Tagesreise bis zu den den Bahamas zugehörigen Ragged Islands – frei übersetzt heißt das so viel wie „die Fetzeninseln“ – und das beschreibt es auch schon ziemlich genau: unzählbar viele kleine unbewohnte Inseln und Inselchen („Cays“), die meisten nicht viel mehr als ein paar hingekrümelte Felsbrocken im großen Atlantik, in einer ca. 35 Meilen langen Kette aneinander gereiht. Die Durchschlupfe zwischen diesen Inseln sind oftmals zu schmal oder zu flach, als dass man mit dem Schiff hindurchfahren könnte, nur einige sogenannte „Cuts“ sind dafür geeignet. Insgesamt ist es in der gesamten Bahamas-Region von besonderer Bedeutsamkeit, sich mit den Seekarten intensivst auseinander gesetzt zu haben.  Denn westlich der Bahamas-Inselketten befinden sich jeweils sogenannte „banks“, also gewaltig große und gewaltig flache Areale, in denen die Wassertiefe zwischen 8 und 1 Meter Wassertiefe variiert. Dieses Fahrtgebiet ist also von sich aus schon nur für Schiffe mit wenig Tiefgang geeignet (ideales Katamaran- Revier!), an vielen Stellen ist es aber sogar für diese zu flach, Stellen also, um die man herummanövrieren oder auf die Ostseite der Inseln mit tiefem Gewässer ausweichen muss. Segeln in dieser Region sollte man tunlichst bei Tageslicht, möglichst mit „Eyeball-Navigation“, also mit jemandem am Schiffsbug, der aufmerksam nach Untiefen und Korallenköpfen Ausschau hält.  Oder auch nach Wrackresten.

Eyeball-Navigation auf den Exuma Banks:

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Nach unserem bereits vor Martinique absolvierten Auflaufabenteuer sind wir inzwischen recht routinierte „Flachwassersegler“ geworden. Auch beim Ankermanöver sollte man Bedacht walten lassen und beispielsweise den hier ausgeprägten Tidenhub mit einberechnen, der bei falscher Berechnung das Schiff zum Aufsitzen bringen kann.

Gott sei Dank exakt berechnet: Sameera vor Anker mit verbleibenden Zentimetern Wasser unterm Kiel:

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Das Ankern und Verweilen vor diesen Inselchen ist absolut lohnenswert: das Meer ist ruhig,  das Wasser helltürkis und unfasslich klar, es herrscht meilenweite Einsamkeit. Es gibt auch erstaunlich wenige andere Segler, die sich hierher verirren, was einerseits daran liegt, dass wir uns dem Saisonende annähern, andererseits an der Versorgungssituation. Es gibt hier natürlich weit und breit kein einziges Geschäft, sodass man nur mit guter Proviantierung und möglichst autarker Frischwasserversorgung den Besuch der Ragged Islands und weiten Teilen der weiter nördlich gelegenen Exumas genießen kann. Erst in Goergetown gibt es wieder Geschäfte.

Wir haben dank Watermaker, Freeezer und tiefen Bilgen an Bord gut vorgesorgt und können daher die „Einsamkeit in Türkis“ vollends auskosten.

Water Cay auf Ragged Islands:

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Sevi mit Sameera im Hintergrund:

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Was macht man hier den ganzen Tag? Nun, uns wird es eigentlich nie fad, alle fünf sind wir ausgesprochene Wasserratten und können über Stunden im Wasser herumsquapsen. Seit ihrem Freitauchlehrgang in Guadeloupe sind Lorenz, Gabriel und Roland schon gar nicht mehr aus dem Wasser rauszuholen und jagen leidenschaftlich die Riffe ab auf der Suche nach Feuerfischen. (Wie berichtet: zu deren Jagd wird von offizieller Stelle aufgerufen, da sie als Fremdlinge ohne natürliche Feinde sind und die hiesigen Riffe leerfressen und somit bedrohen.) Zudem strukturiert das Schulprogramm der Jungs unseren Bordalltag – das Schuljahr neigt sich dem Ende zu und im Endspurtfieber arbeiten Lorenz und Gabriel die Berge von zu absolvierenden Lehrmaterialien und Schulaufgaben ab. Einer der Erwachsenen ist derweil als Lehrer, Motivator und Disziplinarbevollmächtigter eingespannt, während der andere mit Severin spielt, malt, bastelt und / oder das Schiff in Schuss hält. Auch Essen ist bekanntermaßen eine Kunert-Leidenschaft, die samt Vor- und Nachbereitung gut beschäftigt. Die Nachmittage sind meistens schulfrei: jede Menge Zeit also zum Lesen, Baden, Tauchen, Landausflüge unternehmen etc. Abends sitzen wir meistens ausgiebig an Deck plaudernd nach dem Abendessen zusammen, manchmal gibt´s Filmabende mit DVDs. Hin und wieder treffen wir uns mit anderen Seglern auf den traditionellen „Sundowner“ und Austausch von Seemannsgarn. Die Tage enden meist viel früher, als in Deutschland – die Sonne, hohe Temperaturen und viele Draußenaktivitäten machen sehr müde!

Lorenz auf Feuerfisch-Jagd mit einem speziellen dreispitzigen Speer (Hawaian Sling); hier mit frisch erlegtem Feuerfisch:

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Severin hält die Szene zeichnerisch fest:  „Lorenz speert den Lionfish, Mama fotografiert das Ganze“:

P1200474-lionfishshot Sevi Zeichnung-klein

Gabriel pirscht nach Feuerfischen:

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Severin beim Wracktauchen:

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Landausflug auf Stocking Island mit Totems und Summerwinds:

P1060094-Erwachsene am Strand-klein   P1060088-kids am Strand-klein

Ganz ohne Frage: im Meer herrscht ein großes Fressen und Gefressen-Werden, wie wir im kleinen Biotop selbst schon haben beobachten können: Sevi liebt es, abends auf unseren beiden Heckplattformen zu hocken und zu beobachten, welche Fische und Tierlein durch das grünliche Unterwasserlicht der Sameera angezogen werden. Fachmännisch schlenkert er seinen blauen Casher durchs Wasser und ist dabei ein überraschend erfolgreicher Jäger geworden. In einem Wassereimer sammelt er regelmäßig seine Beute: Fischlein, Mini-Seeschlangen, Krabben und Krebse. Mit Grausen lässt sich dann in seinem Eimer beobachten, wer grad der stärkste ist. Meistens sind es die Krebse, die sich unverzagt alles einverleiben, was da im Eimer herumschwimmt. Meist leeren wir – Severin´s Protesten zum Trotz – den Eimer aus, bevor das Massaker seinen Lauf nimmt.

Auch beim Angeln haben wir schon gelernt, dass im Wasser auch andere jagen und unsere Beute nicht unbedingt uns gehört. Wenn man einen Fisch an der Angel hat, sollte man schon allein deshalb schnell den Fang hereinholen, weil es nicht selten passiert, dass der Fisch an der Angel von hinterherschwimmenden Haien geschnappt oder zumindest dezimiert wird.

Bislang sind uns Haie nur in sehr tiefen Gewässern auf dem Ozean begegnet. In den Bahamas hingegen nimmt die Hai-Dichte merklich zu.  Auf den Ragged Islands vor Water Cay verguckte sich ein ca. 2 Meter großer Ammenhai in unsere Sameera und umkreiste über Stunden das Schiff, als fühle er sich als unser privates Haustier.

Nurseshark:

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Von Menschen im Wasser halten sich Haie aber üblicherweise entfernt oder zeigen sich zumindest desinteressiert. Ihr Interesse gilt definitiv kleineren Subjekten.

Grad vorgestern haben wir ein spannendes Schauspiel erlebt: Roland und Gabriel hatten soeben an einem tiefen Riff einen Feuerfisch erlegt. Dieser steckte noch an dem Dreizack des Speers und zappelte, als ein Schwarzspitzen-Riffhai sich von unten annäherte und Kreise unter Gabriel drehte, der den Speer in der Hand hielt. Mit den Flossen streifte Gabriel den Feuerfisch dann vom Speer, welcher sichtlich angeschlagen davontreidelte. In dem Moment eilte der Hai mit zackiger Bewegung auf den waidwunden, flottierenden Feuerfisch zu, schwamm zunächst an ihm vorbei, um im nächsten Moment in einer blitzartigen Bewegung sein Opfer zu schnappen und mit zwei Kaubewegungen sauber zu vertilgen. Der Pilotfisch an seinem Bauch schaute traurig „in die Röhre“. Danach tauchte der Hai in absolut ruhigen, geschmeidigen Bewegungen wieder in die Tiefe ab.

Der Schwarzspitzenriffhai mit Pilotfisch:

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Wie immer hat man natürlich in solchen Situationen die Kamera nicht griffbereit gehabt. Aber unser emsiger Reise-Dokumentator Severin hat die Szene mal wieder zeichnerisch festgehalten:

Severin´s Hai-Zeichnung (entgegen Uhrzeigersinn zu lesen):

P1060195-Sevis Zeichnung Hai packt Lionfish-klein

Es gibt aber auch sehr viele ganz harmlose Unterwasser-Bewohner. Einer davon ist eine Meerjungfrau vor einem Klavier.

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Der treue und aufmerksame Leser unseres Logbuchs mag sich daran erinnern, dass wir schon zu Beginn unserer Reise vor Lanzarote nach von dem Künstler DeJason Taylor im Wasser versenkten Statuen getaucht haben. Genau dieser ist auch vom Zauberkünstler David Copperfield damit beauftragt worden, eine Skulptur vor einer seiner beiden Privatinseln auf den Exumas (Musha Cay / Rudder Cay) zu versenken. Es handelt sich dabei um eine zauberhafte Meerjungfrau, die sehnsüchtig dreinblickend neben einem Konzertflügel hockt, dessen Klavierhocker unbesetzt ist. Trotz starker Strömung, die einen förmlich vom Hocker riss, haben wir es nicht unversucht gelassen, der Meerjungfrau ein paar illusionäre Töne zu klimpern:

P1200694-Gabri pirscht sich an mermaid an-klein    P1060154-G A an mermaid-klein  P1200558-pianoman Lorenz-klein   P1200568-pianoman Roland-klein

Unter unserem Schiff entdecken wir auch immer wieder wunderschöne Stachelrochen. Sie durchstöbern dort den Sand nach Nahrung.  Wenn man dort taucht und selbst Sand aufwühlt, kommen sie voll Neugier näher, bremsen dann aber wieder ab, weil ihnen im letzten Moment offenbar einfällt, dass sie Menschen scheuen.

Stachelrochen:

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Vor Georgetown auf den Exumas wohnen an einem Strand allerdings ganz erstaunlich zahme Rochen, die sich neugierig nähern und die Füße „beschnuppern“, sobald man eine Weile still am Ufer steht. Severin war sogar so mutig, dass er sich ins flache Wasser legte und die  Rochen dann auf seinem Bauch entlangschnuppern konnten. Er war begeistert über diese Begegnung auf Tuchfühlung!

Es passiert also jede Menge unterhalb der Wasserlinie – und wir lieben es, in diese Welt einzutauchen….

Goldiger Kugelfisch vor seiner Höhle:

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Und last but not least gibt es hier noch schwimmende Schweine. Diese sind sozusagen zum Markenzeichen der Bahamas avanciert, da sie wirklich extrem possierlich sind, wie sie so im türkisen Wasser herumfloaten. Wir haben sie gestern besucht und ihnen einige Schiffsküchenreste (Kartoffelschalen, Karotten, Maiskolbenreste) mitgebracht, die sie leidenschaftlich schmatzend verdrückt haben. Besonders gierig haben sie sich auf das mitgebrachte Süßwasser gestürzt  – und zum Dank durften wir sie schubbern, kraulen und mit ihnen schwimmen.

Bahamas-Schweine in Big Major Spot Cay:

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