Cuba libre

Ja, alle Formalitäten für unsere Einreise nach Kuba haben ohne Probleme geklappt – und somit standen uns Tür und Tor offen, um zumindest einen kleinen Eindruck von Land und Leuten dieser größten aller Karibikinseln gewinnen zu können.

Eigentlich war die Immigrations- und Customs-Prozedur für Kuba die erste in unseren Augen wirklich seriöse, denn hier mussten wir nicht im entsprechenden Büro ein Sümmchen Geld auf den Tisch legen und endlose Formulare ausfüllen (wie in allen bisherigen Immigration-Offices der bisher bereisten Länder), um alle notwendigen Stempel und Permits zu erhalten. In Kuba indessen kam tatsächlich ein Arzt an Bord der Sameera und untersuchte die gesamte Crew, es kam ein Veterinär an Bord, um die von uns eingeführten Lebensmittel und lebenden Pflanzen (wir haben seit Lanzarote einen kleinen Kaktus an Bord, den wir heiligst pflegen) unter die Lupe zu nehmen und auf Krankheitserreger und Sporen hin zu kontrollieren, es kamen zwei Drogenspürhunde an Bord und durchschnüffelten unsere Kabinen und der Harbourmaster machte Fotos von jedem Crewmitglied, die wiederum mit den Passfotos verglichen wurden. Zu guter Letzt mussten wir auch hier Geld bezahlen, um die notwendigen Visa ausgestellt zu bekommen. Dann erst und endlich durften wir das Land betreten, auf das wir wirklich schon seeehr neugierig waren.

Ärtzliche Untersuchung an Bord:

Arzt an Bord aufr

Unseren ersten Ausflug unternahmen wir mit Taxifahrer Victor, der uns mit seinem beeindruckend riesigen Dodge, Baujahr 1956, von der Marina abholte und uns nach Guardalavaca beförderte. Allein diese Fahrt hatte schon so viel Esprit! Wie kleine Spielzeugmännchen verschwanden wir in den unglaublich riesigen Ledersitzen dieses Oldtimers. Laute kubanische  Rhythmen versuchten das Getöse aus dem 6-Zylinder-Mercedes Benz-Motor zu übertönen, während wir durch die Landschaft cruisten, die Nasenspitzen in den Fahrtwind reckend und nach den anderen Fahrzeugen Ausschau haltend. Viele davon sind kleine Pferdekutschen, die hier immer noch das Standard-Vehikel für den Kubaner darstellen.  Und natürlich gibt es immer wieder wahnsinnig schöne und kreativ instandgehaltene Oldtimer in leuchtenden Farben. In Zeiten der Handelsabkommen mit der Sowjetunion wurden Autos aus dem Ostblock eingeführt, sodass auch jede Menge Ladas und Kamaz-Lastwagen das Straßenbild prägen.

Taxi Dodge  Sevi Dodge Heck

Guardalavaca ist ein ausgewiesenes Touristenörtchen, mit Hotelanlagen für Ausländer, Kunsthandwerksmarkt und Flaniermeile an weißem Traumstrand. Uns war bewusst, dass unser Ausflug dorthin uns nur einen sehr verzerrten, artifiziellen Einblick in „Kuba“ geben würde, haben aber „zum Warmwerden“ die Landschaft und vor allem die wunderbaren alten Autos und Kutschen dort sehr genossen.
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Am nächsten Morgen dann das Kontrastprogramm: ein Besuch des lokalen Wochenmarktes in Santa Lucia, auf dem die Bauern der Umgebung ihr Obst, Gemüse, Hühner, Wurst und Frischfleisch feilbieten.  Kundschaft sind hier zu ungefähr 100% Kubaner. Dass Touristen sehr selten den Weg hier hinfinden, war allein schon daran zu merken, dass ausschließlich mit der nationalen Währung, dem CUP bezahlt wird und wir mit unserer Touristenwährung, dem CUC – Pesos convertibles – gar nichts anfangen konnten.  Freundlicherweise hatte uns der Taxifahrer vom Vortag CUC gegen CUP eingetauscht, sodass wir aber doch Obst und Gemüse für unsere Bordvorräte kaufen konnten.  Vom Fleisch, das auf den Marktständen für den europäischen Geschmack etwas krude dargeboten wurde, haben wir vorsichtshalber nichts erstanden. Vor allem die auf den Verkaufstischen dekorierten Schweineköpfe haben Severin fasziniert und ihm zugleich einen Schauer über den Rücken gejagt. Er war übrigens heilfroh, dass er sein Plüschtier, das Kuschelschwein „Beinsch“ an diesem Tag mal ausnahmsweise nicht mit auf den Ausflug mitgenommen hatte…..

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Gleichwohl haben wir uns auf diesem Markt sehr, sehr wohl gefühlt, denn alle Leute dort haben uns so überaus freundlich willkommen geheißen, hatten ein Lachen oder zumindest Lächeln auf den Lippen, auf dem Markt herrschte förmlich heitere Jahrmarktstimmung. Das ist uns allgemein in Kuba besonders aufgefallen: wie positiv und offenherzig die Menschen erscheinen und auf uns zugekommen sind.

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Muttertag ist in Kuba ein ganz besonderer Tag, der nicht nur innerhalb der eigenen Familie gefeiert wird, sondern jede Mutter wird einfach von jedem mit Glückwünschen überhäuft.  Während eines Spazierganges in der Wohngegend nahe unserer Marina wurden wir von dieser Tradition völlig überrascht. Die Anwohner kamen aus ihren Häusern und Gärten gelaufen, um mir (offensichtlich Mutter, da ja mit 3 Jungs unterwegs) herzlich zu gratulieren und ein paar radebrechende Worte auszutauschen, uns wurden spontan und insistierend Mangos, Ananas und Kokosnüsse geschenkt, die wir kaum schafften, abzulehnen. Von einer Dame (Senora Ana) wurden wir kurzerhand zum Abendessen eingeladen, das sie mit ihrer Familie  zum Muttertagsfest im Garten feierte. Die Wohnverhältnisse waren karg, die Atmosphäre dafür umso herzlicher. Immer wieder durchzuckte mich der Gedanke, ob wir evtl. mit einem Hintergedanken eingeladen wurden – aber so sehr ich auch argwöhnte: es war davon nichts zu spüren! Auf meine Frage, wie wir uns bei ihnen bedanken könnten, kamen lange nur ablehnende Antworten. Erst nach weiterem Drängen meinerseits sagten sie dann, dass sie sich über ein Handtuch sehr freuen würden; ob wir dies wohl aus unserem Schiffshaushalt entbehren könnten…?

Familie Ana

Einen weiteren, etwas größeren Ausflug haben wir von der Nord-Küste aus bis nach Santiago de Cuba im Süd-Osten der Insel unternommen, der zweitgrößten Stadt Kubas nach Havanna. Da Mietwagenpreise auf Kuba horrend sind, haben wir die Strecke bis dorthin (ca. 150 km) mit einem Taxi – einem sehr kultigen und sehr klapprigen roten Chevrolet – zurückgelegt. Motor und Getriebe des Taxis waren diesmal so laut, dass von den lauten kubanischen Rhythmen aus dem Radio schier nichts zu hören war… Aber lustig war´s – und sicher viel authentischer, als wenn wir die Strecke mit einem modernen Kleinwagen zurückgelegt hätten.

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Allein die Fahrt bis nach Santiago de Cuba haben wir als sehr aufschlussreich erlebt, denn unser Taxifahrer Kico hat uns auf dem Weg dorthin durch völlig untouristische Gegenden gefahren: vorbei an vielen kleinen palmgedeckten Hütten, was die übliche Unterkunft der Kubaner ist, aber auch durch größere Städte wie Holgúin mit Plattenbauten und vorbei an Kombinaten angeschlossenen Plattenbausiedlungen „im Nirgendwo“.

Wohnhaus Land       P1050862-Wohnhaus 1-klein

Che, Raúl und Fidel sind allgegenwärtig: immer und überall sieht man große Plakatwände, die mit sozialistischen kämpferischen Parolen aufwarten und / oder die Konterfeis der sozialistischen Größen zeigen. Dazu liegen jenseits der Straßenränder regelmäßig Findlinge unterschiedlichster Größe, die handbemalt ebenfalls sozialistische Ermunterungen vermitteln.

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In Santiago angekommen, haben wir auch – unter Anleitung einer lokalen Stadtführerin,  Lianne – als erstes einmal das Grab des Maximo Liders besucht, der hier im November des vergangenen Jahres möglichst nahe bei seinen gefallenen Mitstreitern der revolutionären Kämpfe begraben wurde. Ein monumentaler Felsen (aus der revolutionären Kampfgegend der Sierra Maestra hierher gebracht) trägt schlicht die Aufschrift FIDEL.

Grabstätte des Maximo Lider:

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Auf dem ansonsten mit weißem Marmor gestalteten Friedhof haben wir noch weitere Gräber der großen Nationalhelden Kubas besucht (José Marti, Manuel Céspedes) und Vorträgen unserer Stadtführerin über deren Verdienste für das Vaterland gelauscht. Als wir am Grab der Familie Bacardi (Rum!) vorbeikamen und ein paar Fragen zu ihrer Geschichte und Rolle für Kuba stellten, wurden die stadtführerischen Erläuterungen auffallend schmallippig, da Bacardi´s Abwanderung aus Kuba nach Amerika nach ihrer Enteignung ganz offensichtlich als nationaler Verrat gilt.  Eine andere Position dazu liest sich interessant – siehe Literaturhinweis unten.

Nach einem Mittagessen haben wir dann in Begleitung unserer Stadtführerin die Altstadt erkundet: die Kathedrale,

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das älteste erhaltene Haus Kubas (Casa Diego Velásquez), die Hafenbucht, Teile der Fußgängerzone und die Casa de la Trova (Haus der Begegnung), in dem täglich lokale Künstler ihre Musik darbieten.  Eine spontane künstlerische Darbietung, kombiniert aus Zauberei und Gesang, wurde auch für uns gegeben, als wir an der Casa de la Trova vorbeiflanierten.

Trovasänger aufr   P1000080-Casa de la Trova-klein

Am nächsten Tag (nach der Übernachtung in einer privaten Unterkunft, wie es in Kuba üblich ist) haben wir dann die Stadt auf eigene Faust erkundet und sind dabei in deutlich weniger repräsentative Gegenden gekommen. Santiago kämpft sichtlich gegen den baulichen Verfall – die weitaus meisten Häuser der Stadt sind vorrevolutionären Baujahres und haben durch den Zahn der Zeit und Hurricanes deutlich Schaden erlitten.

Straßenszene Santiago   P1050888-Wohnhaus-klein

Doch in der Planwirtschaft standen und stehen zu wenig oder sogar keine Materialien zu Verfügung, um die Häuser instand zu halten. Das macht Organisationstalent und Improvisation notwendig. Diese beiden Fähigkeiten sind in Kuba wohl lebenswichtig.

Die Tatsache, dass in Kuba mit zwei Währungen gehandelt wird, dem „Touristengeld CUC“ und dem relativ wertlosen nationalen Peso „CUP“, fördert unserem Eindruck nach in besonderem Maße eine Zwei-Klassen-Gesellschaft.

Wer es schafft, an CUCs zu gelangen, zieht das große Los. Wer in der „CUP-Welt“ lebt, erleidet hingegen Mangel. Kubaner erhalten nach wie vor Lebensmittelzuweisungen -„raciones“  für Eier, Bohnen, Reis und weitere Grundnahrungsmittel aus den Kombinaten.  Die Zuteilungen sind jedoch so gering und schwer erhältlich, dass „organisiert“ werden muss. Mit dem nationalen Peso allerdings, der als Lohn an den arbeitenden Kubaner ausgezahlt wird,  ist kein Start zu machen. Nur mit dem CUC ist es möglich, Luxusgüter zu bezahlen, Baumaterialien zu erhandeln und in Supermärkten einzukaufen, deren Regale nicht leer sind. Diese heißen dann Luxussupermärkte.

Der aufblühende Tourismus in Kuba nach den gelockerten Einreisebestimmungen für Ausländer, die mühsam aufstrebende Wirtschaft des Landes kombiniert mit der seltsamen 2-Währungs-Politik scheinen eine gewaltige Herausforderung für Kuba zu sein, die die kubanische Gesellschaft in zwei Parallelwelten zu spalten droht.

Übrigens auch bei unserer Abreise aus Kuba wurden wieder extensive Kontrollen an unserem Boot vorgenommen, u.a. um auszuschließen, dass wir möglicherweise Personen ausschmuggeln könnten. Bis zu einem echten Cuba libre, welches wir den wunderbaren Menschen hier von Herzen wünschen, scheint es noch ein weiter Weg zu sein….

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Lesenswert: BACARDI – and the long fight for Cuba.
von Tom Gjelten, Penguin Vlg, ISBN 978 – 0 – 14 -311632-5