Spanish Virgin Islands und Puerto Rico

Auf den Besuch von Oma Karla im März hatten sich insbesondere die Kinder schon allein deshalb so gefreut, weil die erste Woche des zweiwöchigen Besuches als gemeinsamer Aufenthalt in einem Hotel auf Tortola geplant war. Urlaub vom Urlaub sozusagen. Nach so langer Zeit auf dem Segelboot, auf dem der Raum naturbedingt begrenzt ist, war die Phantasie, in hallenartigen Räumen und quadratkilometergroßen Kingsize Betten schlafen zu können, für die kids total verlockend. Ansonsten haben sie in dieser Zeit den Swimmingpool eigentlich nur zu den Mahlzeiten und zum Schlafen (und gelegentlichen Ausflügen) verlassen. Ihr Daueraufenthalt in dem gechlorten Wasser führte dazu, dass ihre durch die Sonneneinwirkung der vergangenen Monate stark erblondeten Haare sich plötzlich grün verfärbten. Wie bei echten Wassermännern halt, konnten wir den leicht irritierten Severin beruhigen.

Unermüdlicher Wassermann-Turm:

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Happy:

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In der zweiten Woche waren dann aber alle wieder froh, auf die Sameera zurückzukehren, die doch für uns ein Stück schwimmende Heimat geworden ist. Die Lust, stets neue Ufer zu erkunden, teilt Oma Karla ja mit uns. Und so besuchten wir einige der zu den British Virgin Islands gehörenden Inseln (Peter Island, Jost van Dyke, Sandy Cay etc.), die allesamt so nah beieinander liegen, dass man beim Segeln zuweilen den Eindruck hat, man befinde sich auf einem großen See – Land soweit das Auge reicht. Die Jungferninseln stellen gerade deswegen ein beliebtes Segelrevier dar, weil man so problemlos und flott von einer Insel zur nächsten hoppen kann – und jede Insel ist schön, viele von ihnen mit traumhaften Tauch- und Schnorchel-Möglichkeiten. Die Kehrseite der Medaille ist allerdings, dass es zuweilen in den Buchten sehr voll und manchmal auch laut ist: die BVI scheinen eine munter frequentierte Partyzone für amerikanische Chartertouristen, von denen viele ihre Umgebung gern mit lauter Popmusik beschallen und allerorten den für die BVIs legendären „Painkiller“ konsumieren.

Da wir uns vorgenommen hatten, unser Crewmember Karla bis nach Puerto Rico zu bringen, von wo ihr Rückflug gen Deutschland starten sollte, ging es alsbald weiter gen Westen, über die Spanish Virgin Islands (Culebra, Vieques) bis zur Ostküste von Puerto Rico.

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Wie stark der mit dieser Westbewegung verbundene „Kultur-shift“ ist, hat uns sehr fasziniert: klar, es wird Spanisch gesprochen. Dazu erklingen überall lateinamerikanische Rhythmen, die Leute sind auffallend aufgeschlossen, freundlich und gesprächsfreudig. Vor allem das relativ dicht besiedelte Puerto Rico zeigt sich pulsierend und quirlig – es ist, wie in eine andere Welt zu plumpsen. Die extrem gechillte, manchmal schon provokant erscheinende layed-back Haltung mit obligater Bob-Marley Musik der südlicheren Karibik-Inseln mit meist spärlicher Infrastruktur steht im krassen Kontrast zu der aufgedrehten Vitalität, wie wir sie auf Puerto Rico erlebt haben.

Auch die amerikanischen Einflüsse sind hier nicht zu verkennen: man hätte den Kindern kaum ein prägnanteres Beispiel für den Begriff der „MacDonaldisierung“ bieten können. Wir haben in unserem Leben noch nicht so viele Fast-Food-Läden aller Couleur, einen an den anderen gereiht, gesehen, wie in den puerto-ricanischen Städten Fajardo und San Juan.

Gleichwohl gibt es auf Puerto Rico auch unendliche Weiten unbewohnter und tropisch-exotischer Landstriche und Küsten mit Bilderbuchstränden. Per Mietauto haben wir uns auf Erkundung begeben und den Inselstaat sehr genossen. Oma Karla mussten wir leider schon zeitig wieder „abliefern“ – wir danken Dir sehr für die schöne gemeinsame Zeit mit uns hier!

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Dass Puerto Rico noch einiges mehr zu bieten hat, als einsame Strände, geschäftige Einkaufs-Malls, Fast-Food und Großstadtflair zeigte sich z.B. bei unserem Ausflug nach Arecibo im Nordwesten der Insel, wo sich das weltweit größte Weltraum-Observatorium zur Ionosphärenforschung in Form eines gigantischen Radioteleskops befindet.

Einige unter Euch können sich evtl. noch daran erinnern, dass es eine Zeit lang unter Studenten „in“ war, auf ihrem PC das Programm „SETI@home“ (Search for Extra-Terrestrial Intelligence) laufen zu lassen, das immer dann aus ebendiesem Arecibo zur Verfügung gestelltes Datenmaterial nach „Zeichen von Außerirdischen“ abgegrast hat, wenn der studentische PC grad im „Pausenmodus“ war – quasi ein Bildschirmschoner mit dem Ohr ins Universum.  Unsere studentischen PCs damals waren im Weltraum-Abhören jedenfalls sehr fleißig…. 🙂 – haben aber leider keine geheimen Botschaften entziffern können….

Neben diesem lustigen SETI-Projekt wird aber in Arecibo noch viel mehr Forschung betrieben, welche unter anderem 1993 den Nobelpreis für Physik eintrug. Es handelt sich bei dem Observatorium um eine Anlage, die 1960 von einigen absolut visionären Forschern (allen voran W.E. Gordon) initiiert und zwischen 1960-1963 inmitten des puerto-ricanischen Dschungels erbaut wurde. In einfachen Worten sammelt eine überdimensionierte, mit knapp 40.000 Aluminiumpaneelen ausgelegte „Schüssel“ mit mehr als 300 m Durchmesser Radiowellen aus dem Weltall ein, bündelt sie in einer darüber befindlichen, nach unten offenen Halbkugel mit Spezialantennen und Spiegelteleskop, dem sogenannten Gregory-Spiegelsystem. Anschließend werden die gesammelten Daten „durchmustert“.

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Anwendung finden diese Daten in der Radioastronomie, in der u.a. ferne Sterne, Kometen und Pulsare untersucht werden, und in der Atmosphärenforschung (www.naic.edu). Pro Jahr wird ca. 200 Forschern aus aller Welt Zugang zu dem Teleskop und den Daten gewährt, die sich dann monatelang in das Gästehaus gleich nebenan einigeln und forschen.

Dem Observatorium angeschlossen ist ein kleines Besucherzentrum, das mit unterschiedlichsten Modellen und Versuchsanordnungen das Radioteleskop und die Forschungsinhalte veranschaulicht.

Krater-Experimente:

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Severin „bedroht“ durch einen einst in Namibia eingeschlagenen Meteoriten:

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Planeten-Modelle:

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Hier haben wir Stunden verbracht – die Jungs haben sich begeistert und elegisch durch alle Exponate durchexperimentiert. Seitdem redet insbesondere Severin buntschillernd über Super-Novas, Pulsare, Planeten und  Außerirdische, was sich auch in seinen täglichen Zeichnungen anschaulich ausdrückt:

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Uns hat tief beeindruckt, wie visionär und entschlossen die Handvoll  Forscher damals waren und bis heute sind, dass ein solches Projekt inmitten des puerto-ricanischen Dschungels realisiert und bis heute betrieben werden kann.

Nach unserem ausgiebigen Aufenthalt auf Puerto Rico haben wir uns dann aber wieder auf die deutlich ruhigeren Nachbarinseln Vieques und Culebra zurückgezogen, um in den Riffen zu schnorcheln, nächtlicher Bioluminiszenz nachzustellen und unseren Bootsalltag zu genießen. Dort haben wir auch unsere Freunde der Nelia verabschiedet, mit denen wir in den vergangenen Monaten viele unserer Ziele in „loser Assoziation“ gemeinsam angesteuert und erkundet haben. Sie werden ihr Schiff verkaufen und haben mit dem neuen Eigner eine Übergabe in der südlichen Karibik vereinbart.

„Offizielles Abschiedsfoto  Nelia / Sameera“:

P1050408-Abschiedsfoto mit Nelias

Wir hingegen werden weiter Richtung Norden / Nord-Westen reisen, um die Bahamas zu erkunden und unsere Reise in Florida abzuschließen. Ja, so langsam müssen wir leider schon an das Ende unserer großen Reise denken…. Und so haben wir uns entschlossen, die Sameera zum Verkauf anzubieten. Siehe https://sailing-sameera.de/sameera-for-sale/

Selbstverständlich hängt an diesem Schiff inzwischen viel „Herzblut“…. Wir hoffen sehr darauf, dass die Sameera einen neuen Besitzer findet, der die besonderen Eigenschaften dieses „Modern Vintage Boat“ zum absolut autarken Cruisen und entspannten Loungen auf dem super-geräumigen Deck so wie wir lieben wird….

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